Freitag, 20. September 2013

Unsere Gleichheit ist eine Ungeheuerlichkeit - sie ist ein Gewebe, in welchem jeder Faden den anderen kennt. Unser stetiges Bemühen, das Aufbäumen mit dem anderen, gegen den anderen, für den anderen. Körper haben, Körper sein - das echte, gelebte Verständnis; jede Umarmung ein Bild, das niemals Rätsel sein möchte.
Unsere Gemeinsamkeit ist die verlustlose Gleichzeitigkeit, niemals Geschichte. Vom anderen wissen, das andere spüren. Da gewesen sein und erinnern - was für eine Unfähigkeit, zu behaupten! Selbst eine Lüge bietet keine Erklärung. Die Zeit verwirft alles geduldig.


(2013)

Our equality is an enormity - it is one tissue in which every fiber knows about the other. Our steady effort, straightening up with the other, against the other, for the other. Having a body, being a body - the true, lived understanding; every embrace is an image, never intending to be a mystery.
Our community is the lossless contemporaneity, never history. To know about the other, to feel the other. Having been there and remembering - what an inability to claim! Even a lie offers no explanation. Time rejects everything patiently.

Mittwoch, 18. September 2013

Das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind Wünsche: leise Dialoge
täglicher Stunden mit der Ewigkeit.

Und das ist Leben. Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die, anders lächelnd als die andern Schwestern,
dem Ewigen entgegenschweigt.


Rainer Maria Rilke


(2012)