Mittwoch, 26. Juni 2013

Eine entscheidende Frage lautet wohl: Wo exakt spielt sich mein Leben ab?
Was genau ich damit meine? Pascal entwirft die Idee des ins Leben geworfenen und unablässig nach Sinn suchenden Menschen folgendermaßen, wenn er sagt:
"Ich sehe diese furchtbaren Räume des Weltalls, die mich umschließen, und ich finde mich an einem Winkel dieser unermeßlichen Ausdehnung gebunden, ohne zu wissen, warum ich gerade an diesen Ort gestellt bin und nicht an einen anderen, noch warum mir die kleine Zeitspanne, die mir zum Leben gegeben ist, gerade an diesem und nicht an einem anderen Punkt der ganzen Ewigkeit zugeordnet ist: der Ewigkeit, die mir voraufgegangen ist, und jener, die mir folgt."
Blaise Pascal: Gedanken.
Ein solcher Mensch ist bedürftig nach Halt und er hofft, ihn in der Religion zu finden. Die Religion soll ihm letztlich als Anker dienen, der ihn seiner Aufgehobenheit versichert und ihm die Gewissheit verleiht, am richtigen weil vorherbestimmten Ort zu sein. Gleiches gelte dann auch für die ihm gegebene Zeit.

Gibt es einen Gott, dann fällt diesem die bedeutende Aufgabe zu, die Willkür auszuschalten, den Zufall zu eliminieren, denn der Gedanke, dass man selbst einfach so existieren könnte, erscheint dem Individuum unerträglich. Deshalb geht es einen Handel ein, bei dem es den Zufall und die Willkür gegen die Vorsehung und den (begründeten) Willen Gottes tauscht. Der Gewinn, der bei diesem Handel erzielt wird, ist nicht zu überschätzen: Er besteht in nichts geringerem als der Gewissheit, dass das eigene Leben einen Sinn hat.

Was aber tut der, dem es widerstrebt einen solchen Handel einzugehen? Muss er notwendigerweise auf den Trost göttlicher Geborgenheit verzichten? Möglicherweise ja.
Andererseits wird er sich aber vielleicht nach neuen Mechanismen umsehen, die sein Dasein befestigen, ihm ein Fundament verleihen können. Darüber hinaus wird er eventuell sogar den vermeintlichen Verlust als Gewinn begreifen, indem er den Mangel an Bestimmtheit in ein Mehr an Freiheit umdeutet. Und ist das nicht auch tatsächlich der Fall? Kann nicht gerade der, der sich nicht als geschaffen begreift, erst ermessen, was Schöpfung wirklich bedeutet, da er sich doch der Aufgabe gegenüber sieht, sich erst selbst zu definieren?

Wo exakt spielt sich mein Leben ab? Vor diesem Hintergrund gerät alles ins Schwimmen. Ist der Gedanke, bestimmt zu sein, erst einmal abgelegt, steht die Tür offen. Die ganze Kaskade des Hinterfragens setzt ein. Jetzt erst wird deutlich, wie relativ die eigene Vorstellung ist.
Und dann blicke ich zurück auf die Fotografie und sehe sie wie zum allerersten Mal. Was bedeutet es schon, dort gewesen zu sein? Was sagt mir, dass es so war? Mir bleibt das Gefühl, auf Formen und Schattierungen zu schauen, die mir nichts Eigentliches sagen. Aber das kümmert mich nicht. Ich spüre erst jetzt so recht, wie schön ich sie finde.


(2011)

One important question has to be: Where is my life taking place?
What I mean? Blaise Pascal is formulating the idea of man being thrown into life, searching ceaselessly for a meaning, when he says:
"I see these awful rooms of outer space which surround me and I find myself bound to a corner of these unmeasureable dimensions without knowing why I am put into this place and not into any other or why this little time span which is given to me is located on this point of eternity and not on any other: this eternity which has anteceded me and this which will follow me."
Blaise Pascal: Thoughts.
Such a man needs something to hold on to and he hopes to find it in religion. Religion shall be an anchor to him which gives him a feeling of security and assurance to be in the right place, simply because it is predestined. The time given to him should be then regarded as the same.

If there is a God then he has the important duty to eliminate arbitrariness and to eliminate hazard because the individual's thought that itself could just simply exist seems unbearable to it. That is why it is negotiating - it is interchanging hazard and arbitrariness with providence and God's (reasonable) will. The benefit of this deal should not be underestimated: it is the certainty that one's own life has a meaning.

But what is he who refuses to make such a deal doing? Does he have to abstain from the solace that comes with God's security? Maybe yes.
But perhaps he will seek for new mechanisms that sustain his living and that serve him as a grounding. Moreover he might identify the assumed loss as an advantage by understanding that a lack of determination means an excess of freedom. Isn't it the case? The one who is not seeing himself as being created, can't he alone comprehend the true meaning of creation because he is confronted with the task to define himself?

Where exactly is my life taking place? Against this background everything becomes insecure. If the thought of being defined is once abandoned the door is open. A whole cascade of questions is crushing down. Now it becomes clear how relative my own imagination is. Then I look back on photography and I see it like for the very first time. What does having been there mean to me? What tells me that is has been this way? I am left with the feeling to look on forms and shadows which mean nothing to me. But I don't care. It's now that I really feel how beautiful they are to me.

Montag, 17. Juni 2013

Photographie

War ich nicht unter ihnen, in der Nische dieses Tages,
der sein Licht in schön gemessenen Schritten über uns verlor?
Wie geblendet, von Sinnen,
Eidechsen gleich auf gerade eroberten Steinen ruhten wir uns aus.

Wer könnte das erfassen, wer hätte die Worte
das zu sagen?
Wer weiß noch, wohin er sich sammeln soll?

Auf der Bühne jener kleinen Momente ist unser Augenblick getrocknet –
da! Nur eine Spur von einem Sonnenschein, der uns nicht mehr angehört.

Und wie ich es so versuche, schauend und lebend zur selben Zeit,
fühlend, dass meine Fehler diesen Rahmen übersteigen,
erreicht es auch mich: Einmal bin ich allen verloren.


(2011)